Handelsblatt“-Chefredakteur Sven Afhüppe: „Nostalgie ist kein Geschäftsmodell“
Das „Handelsblatt“ ist Europas beste Zeitung des Jahres.
Wien. Festlicher Auftakt für den diesjährigen European Newspaper Congress in Wien, für den über 500 führende Medienmanager zusammengekommen sind. Im Wiener Rathaus darf sich das „Handelsblatt“ aus der Handelsblatt Media Group in Düsseldorf von den Köpfen der Branche als „beste Zeitung Europas“ feiern lassen. Damit belohnt sich für Chefredakteur Sven Afhüppe ein radikaler Umbauprozess, der nun im „Wiederaufstieg des ‚Handelsblatt'“ gipfelt. So nannte er in seinem Vortrag über die Lehren und Erfolge des im Jahr 2016 zusammen mit Creative Director Regina Baierl eingeleiteten umfassenden Relaunch.
Heute ruhe der Erfolg des „Handelsblatt“ auf drei Säulen – neben dem Print- und dem Digital-Journalismus auch der Live-Journalismus mit hochkarätig besetzten regelmäßigen Veranstaltungen, mit der die mutig modernisierte Traditionsmarke ihren Lesern auf Augenhöhe begegnet. Dabei orientiert sich der Chefredakteur durchaus auch am „Kundendenken“, das Facebook und Google weltweit so dominant erfolgreich gemacht hat. „Leser wollen sich beteiligen“, so Afhüppe in Wien. Abonnenten wurden damit beim „Handelsblatt“ zu „Clubmitgliedern.“ Sein Haus stehe für „Journalismus, der in den Dialog mit dem Leser eintritt“.
Bei der viel beachteten Umgestaltung des „Handelsblatt“ ließen sich Sven Afhüppe und sein Team von dem zentralen Gedanken leiten, dass die Zeitung „Mehrwert“ liefern müsse. Er meint damit „Substanz, Tiefgang und Kommentierung“. In der Redaktionspraxis führt das zu beherzter Schwerpunktsetzung. „Kleinere Geschichten haben in der gedruckten Zeitung keinen Platz“, so Afhüppe. Sie wandern daher in Netz. Außerdem möchte er vor allem mit den Titelgeschichten, die optisch groß und ungewöhnlich aufgemacht werden, das Kunststück umsetzen, sich thematisch überraschend von der gedruckten Zeitungskonkurrenz abzuheben. „Wir müssen aus der ‚MeToo‘-Falle herauskommen“, so Afhüppe. „Wir wollen jeden Tag eine Geschichte umsetzen, um aus dem Gleichklang der Zeitungen herausstechen.“
Gestalterisch spiegelt sich das im „Handesblatt“-Layout wieder, für das Regina Baierl verantwortlich zeichnet. „Das Blatt muss sich klar abgrenzen“, sagte sie in Wien. „Mit kreativer und individueller Gestaltung für lange Lesegeschichten wollen wir der Schnelllebigkeit der Printgestaltung Wertigkeit entgegensetzen.“ Eingeführt wurde daher auch die zentrale „Super-Illu“ in der geklammerten Mitte des Blatts, die jeden Tag auf einer Doppelseite Zahlen optisch markant aufbereitet. Dort sollen „Daten Geschichten erzählen“, so Sven Afhüppe. „Leser brauchen und wollen Orientierung.“
Die Auflagenentwicklung des gedruckten „Handelsblatt“ gibt dem eingeschlagenen Kurs Recht. „Nostalgie ist kein Geschäftsmodell“, sagte Afhüppe in Wien und verwies auf ein Auflagenwachstum in Höhe von 10 bis 11 Prozent in den letzten zehn Jahren. „Print lebt, Journalismus lebt – und die Zukunft ist da, was wir daraus machen“, schlussfolgerte er in seinem Vortrag. Er spielte damit auch auf das Leitmotto des Hauses ein, das im neuen Verlagsgebäude gut sichtbar für alle Mitarbeiter und Besucher angebracht wurde.
Beim European Newspaper Congress 2018 vom 13. bis 15. Mai in Wien tauschen 500 Chefredakteure und Medienmanager ihre besten Konzepte aus, berichten über erfolgreiche Cases und diskutieren über Werte und Verantwortung. Der European Newspaper Congress wird vom Medienfachverlag Johann Oberauer, der Stadt Wien und Norbert Küpper, Zeitungsdesigner in Deutschland, veranstaltet. Kooperationspartner wie der Verband der Österreichischen Zeitungsverleger unterstützen diese jährliche europäische Veranstaltlung.
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